Gute Eltern versus schlechte Eltern

 Oder was gibt die Gesellschaft so vor, was man zu tun und was bitte zu lassen hat? Das ist viel, so viel kann ich dazu als langjährige Mutter sagen. 22 Jahre Muttersein sind es nun und ich kann sagen: mich machen immer noch die gleichen Themen wütend. Immer noch sind es die gleichen Dinge, die einfach im Ungleichgewicht sind und mit denen ich mich nie arrangieren werde. 

Die Kinder werden geboren und schon in der Krabbelgruppe gibt es Gespräche darüber, was gut für dich und dein Baby zu sein hat und was eben nicht. Ich habe unzählige Gespräche zur Ernährung, zum Stillen, zum Flaschefüttern und zur Beikost geführt. Ebenso auch zum Schlafverhalten und zur Fremdbetreuung. Unzählige. Und selten waren die Gespräche so, das ich mich darin auch wieder fand. Mein Baby lag auf meinem Arm, während alle anderen fröhlich auf der Krabbelmatte lagen. Ich habe alle Kinder lange gestillt und nein sie wurden nicht mit einem Jahr fremdbetreut. Nie. Und so viele andere Dinge waren nie meine Themen. Es war mir sehr egal, das ich mein Baby nicht vom Babysitter betreuen lassen konnte, um abends nochmal eine Silberhochzeit zu feiern. Meine Kinder waren und sind in ihren ersten Jahren immer eng bei mir, um dann gut gestärkt ins Leben zu starten und ihren eigenen Weg zu finden. Immer mit dem Rückhalt der Familie.

Sie wurden größer, die Kindergarteneltern kamen dazu, später die Schule und die Sportvereine. Und überall gab es eine Definition davon, was man eben als Eltern so macht und was nicht. Ganz klar gut war immer, in der ersten Reihe zu stehen, wenn es um die Elternvertreter Geschichten ging, oder aber Kaffee und Kuchen für irgendwas zu richten. Auch die Verkaufsstände dazu waren immer beliebt und schnell vergeben und natürlich steht man immer am Spielfeldrand der Kinder. Beim Training, zu den Spielen, wann immer die Kinder eben auf dem Spielfeld stehen. Das alles macht man so. Aber das macht man nicht, wenn man viele Kinder hat, denn es verkauft sich schlecht die Brezel, wenn man nebenher darauf achten muss, das das Kleinkind sich nicht die Treppe herunter stürzt oder über die Brüstung klettert. Das funktioniert so gar nicht. Natürlich kann ich die Brezel vorher aufbacken und sprenden und ja das mache ich auch, wenn es in meinen Plan passt. Aber nicht immer und um jeden Preis. Die Lorbeeren heimse ich mir nicht regelmässig ein und sie werden wohl auch nicht vergeben, weil ich ja auf vielen so wichtigen Veranstaltungen nicht zugegen bin und nie sein werde. 

Es passt nicht immer in meinen Zeitplan noch Kuchen XY zu backen, denn ich backe ihn ja schon für uns am Nachmittag und ich koche frisch und Diät und stehe jeden Tag unzählige Stunden in meiner Küche, damit meine Familie gut versorgt ist. Da muss es nicht immer auch noch die Brezel sein, wobei die wirklich ein dankbarer Part ist, den man schnell übernehmen kann. Dennoch ist mein Terminplan in den meisten Fällen sehr straff mit den vielen Kindern, wen wundert das, wenn man schon mit zwei Kindern kaum noch ein und aus weiß? Eigentlich dürfte es niemanden wundern. Da sind viele Arzttermine zu bewältigen, da ist ein großer Haushalt, da sind viele Freizeitdinge und Einkäufe zu berücksichtigen und es gilt immer auch kleinere Kinder zu betreuen, wenn die größeren Kinder auf dem Spielfeld stehen oder auf der Bühne oder wo auch immer. Auch bin ich sehr dafür, das die Kinder sich für ihre Hobbys selbst organisieren können. Ich packe nie nicht die Fußballstaschen der Kinder. Das können sie gut alleine. Und ganz kleine, sich nicht organisierende Kinder gehen bei uns noch nicht zum Fußball oder wo auch immer hin. Momentan wollen sie das auch gar nicht, denn sie können zuhause mit den Geschwistern oder Freunden oder Nachbarskindern kicken. Das reicht völlig aus zum groß werden. Und ich behaupte mal, das man das Mutter-Kind-Turnen nicht für die Kinder macht. Bewegung bekommen sie auch im Wald oder auf der Wiese. Das findet für die Mütter statt. Raus zu kommen, sich zu unterhalten, darüber zu urteilen, wer es richtig macht und wer ganz sicher nicht. Dazu dienen diese Spielfeldränder nämlich tatsächlich. Man klopft sich selbst auf die Schulter, wie toll man das doch alles macht und wie gut das doch alles für die Kinder ist. Und die anderen, nein, die können es gar nicht richtig machen. 

Mich macht es also unfassbar wütend, wenn am Samstagmorgen kurz vor dem Fußballspiel des Sohnes die Nachricht, des Trainers aufploppt, das ich diesem Kind bitte die Stutzen anziehen soll. Dem Kind die Stutzen anziehen? Die Hose, das Trikot oder wie ? Ich decke gerade den Frühstückstisch ab, bespreche mit dem Ehemann, das wir besagtes Kind nun gleich zum Fußballplatz fahren, um dann mit dem Babymädchen weiter zu fahren und noch eine Duschgarnitur fürs Kinderbad auszusuchen. Die ist nämlich kaputt und der Klempner möchte gerne eine neue einbauen, nur braucht es dazu eine Ansage, welche er denn wohl nehmen soll. Und ja, die Stutzen waren beim letzten Mal vergessen. Da hatte der große Bruder dem Kleinen eben jene Stutzen geklaut und das jüngere Kind war nicht bereit, das zweite Paar Stutzen noch zu suchen. Die gibt es. Dafür gibt es eine Kiste, wenn man diese Stutzen also darein gelegt hat und nicht irgendwo in die Tiefen seines Kleiderschrankes verstaut hat, dann findet man sie dort. Man muss sie nur suchen. Tut man das aber nicht, geht man eben ohne zum Spiel. Und wenn dann der Trainer, was er wie ich finde durchaus haben könnte, kein Ersatzpaar hat, dann spielt man eben nicht. Ist das nicht eine ganz einfache und lehrreiche Rechnung? Nein, das ist es wohl nicht. Denn als gute Mutter habe ich die Stutzen zu zücken, sie anzuziehen und dann zu überprüfen, ob jenes Kind auch jenes, alles, welches dabei hat. So wird es zumindest von mir verlangt. Und das fucked mich absolut ab, wenn ich es mal so sagen soll, wie die Kinder es sagen würden. 

Ich habe das Kind also an die Stutzen erinnert, die es schon dabei hatte, weil es aus der letzten Situation gelernt hatte, der große Bruder gar nicht zu einem Spiel musste, weil das nämlich wegen Corona mal wieder abgesagt wurde und somit alles super war. Bis auf den Hinweis des Trainers, der mich unsagbar immer noch ärgert. Und nicht weil es so wahnsinnig unverschämt geschrieben wurde, nett war es auch nicht, aber es geht unverschämter. Nein es geht mir darum, was in dieser Aussage alles so mitschwingt. Ich frage mich, ob er das auch so der Mutter sagt, die immer am Spielfeldrand steht und in all ihrer Eile die Stutzen des Kindes vergessen hat? Soll doch auch vorkommen oder tut es das nicht? Was ist mit dieser Mutter? Bekommt sie beim nächsten Mal auch eine Erinnerungs App oder kommt der Trainer vorbei und kontrolliert es selbst oder wie geht man denn damit um? Die Antwort darauf kennen wir wohl alle. 


Ich habe mir also lieber einen Strauß frischer Tulpen beim Floristen gegönnt und mich dann, nachdem die Duschgarnitur ausgesucht war, um den Kuchen, das Mittagessen und den restlichen Haushalt gekümmert. Ich habe noch eben ein paar Blumen eingepflanzt, das Handy im Blick gehalten, damit ich sehe, wann ich den Sohn abholen darf natürlich auch. Der Ehemann hat derweil eben kurz den Garten geordnet, denn das kam an diesem Wochenende in all dem to do zu kurz. Also schnell wenigstens ein wenig. 

Der Ehemann ist nach dem Essen mit den Großen unterwegs und ich mache eine Pause. Nachmittags ist noch einiges zu tun und abends gehen wir mit dem großen Sohn und dessen Freundin auf seinen Geburtstag essen. Ein wenig exclusive Zeit. Der zweite Sohn übernimmt die kleinen Kinder. Sie backen gemeinsam Pizza, sie sind noch draußen und als wir wieder kommen, ist die Küche aufgeräumt, die kleinen Kinder sind satt und der Große gut zufrieden. Er erzählt mir von den Gesprächen mit dem kleinen König und ich sehe, das es nicht ganz so falsch laufen kann bei uns. Es wird Beziehung gelebt und da gibt es einen Ablauf, den man halten kann, auch wenn ich ihn mal nicht halte. Man steht füreinander ein und achtet aufeinander. Perfekt ist es aber ganz sicher wohl auch nicht. Es läuft nirgends alles richtig und gut. 

Abends hole ich die Tochter vom Bowling ab, nachmittags hatte ich die zweite Tochter zur Klassenfeier gebracht. Sie wird uns abends wieder gebracht. Und heute morgen, als ich Cookies backe und gerade noch so eben  das Tiramisu in den Kühlschrank geschoben hatte, nachdem ich für ein gutes Frühstück gesorgt und eben jenes auch wieder verräumt hatte, erzählt mir eine der Töchter vom Umgang mit dem Alkohol hier in den Familien. Und das ist mein Thema. Immer wieder macht es mich neben diesen Spielfeldrand Geschichten wirklich unfassbar wütend. Es ist nämlich total legitim in diesem Dorf, einem 13 jährigen Kind auf dessen Kindergeburtstag Bier hinzustellen. Von eben diesem Kind findet man auch Bilder im bösen Internet, wie es Bier trichtert. Mit 13. Und eben diese Eltern wissen nichts davon oder wollen nichts davon wissen oder, was am häufigsten vorkommt, finden das alles furchtbar witzig. Dieses Bier hinstellen und mit dem Finger auf eben jene zu zeigen, die nicht am Spielfeldrand stehen, das macht mich so sehr wütend und ich erlebe es immer und immer wieder. Nein, 13 jährige haben noch keinen Alkohol zu trinken. Und nein, das ist nicht witzig, wenn ich als Papa mit der Flasche daneben stehe. Das ist es nicht. Alkohol ist eine harte Droge und dieser leichtfertige Umgang damit, der ist widerwärtig. Und ich weiß nicht, ob ich es mir leisten kann, mit dem Finger auf andere Eltern zu zeigen, wenn das der Tenor ist, der mein Leben leitet. Wenn es nichts schöneres gibt, als sich am Wochenende die Birne weg zu saufen. Warum eigentlich? Damit das Leben erträglich bleibt oder was ist denn wohl der Grund dafür, das ich es immer und immer wieder tun muss, ohne es schlimm zu finden? Weder für mich noch für meine Kinder?

Dieses eine Glas Eierlikör am Abend oder das eine Glas Wein in netter Gesellschaft, das ist es nicht, was ich damit meine. Das ist etwas völlig anderes. Aber wenn ich so viel trinke, das ich den Weg kaum mehr nach Hause finde, dann ist das nicht witzig. War es nie und wird es nie werden. Aber das ist es, was angesehen ist. Das ist es, was gut ist und toll ist. Ebenso wie am Spielfeldrand oder beim Laterne basteln zu sitzen und sich darüber zu unterhalten, was andere Mütter nicht tun oder gar nicht im Griff haben und wo man es selbst ganz wunderbar hinbekommt. Ich sage nicht, das meine großen Kinder keinen Alkohol trinken. Das wäre eine Lüge. Auch sie kommen manchmal sturzbetrunken nach Hause und auch da finde ich das absolut nicht in Ordnung und das sage ich immer und immer wieder. Ich werde nicht müde, das zu tun. Ich kann es nicht begreifen, das man es erlaubt, Alkohol immer und überall zu trinken, aber Hasch nach wie vor verboten ist. Wer sich diese Gedanken macht, wohnt evtl im Dorf.  Es geht mir verdammt nochmal darum, wie damit umgegangen wird. Und das die gleichen Eltern, die in jeder Elternvertreterschaft und hinter jedem Kuchenverkaufsstand stehen, es furchtbar in Ordnung finden, das ihre Kinder möglichst früh, vielleicht gerade mal hinter der Entwöhnung der Flasche, ein Bier trinken. Wobei das wohl noch der netteste Alkohol Part ist. 

Leider kommen die Kinder somit viel zu leicht an Alkohol heran und viel zu viele Menschen schauen weg. Das ist schade. Und ich kann nicht mal sagen, das bei uns alles rosa ist. Das ist es nicht. Meine großen Söhne sind in diesem Dorf aufgewachsen und sie teilen nicht unbedingt meine Ansicht. Und sicher fänden auch sie es furchtbar witzig, mit der noch sehr jungen Schwester ein Bier zu trinken. Nur ich, ich sehe das nicht so. Und das wissen sie sehr genau. 

In diesem Text geht es um vielerlei. Zum Einen fehlt immer wieder der Blick auf die Großfamiliensituation und auch die Toleranz für eben jene Entscheidung, die wir trafen. Die Entscheidung zu vielen Kindern und allem, was damit eben einhergeht. Es fehlt aber auch immer wieder der Blick darauf, das es dieses einzig wahre Familienmodell nicht gibt. Jede Familie ist einzigartig und es funktioniert immer und überall anders und das ist gut und richtig so. Ich finde es so wichtig, das man genau das auch im Blick hat und sich nicht immer nur wieder in den Erwartungen fallen lässt. Denn woher kommen diese Erwartungen denn eigentlich ? Wer stellt sie auf? Wer verlangt da was von einem? Ist es denn überhaupt möglich, immerzu die gleichen Erwartungen an alle Menschen zu haben? Und dann geht es mir auch darum, das man bei so wichtigen Themen, wie Alkoholkonsum plötzlich einknickt und die Verantwortung abgibt. Die Begründung ist immer wieder recht einfach: Das war schon immer so. Ich habe auch mit 14 mein erstes Bier, keine Ahnung was getrunken. Es ist mir unerklärlich, wie man in den ersten Jahren der Kinder so viel Zeit damit verwendet, ja alles auf jeden Fall richtig zu machen, nur um dann in der Zeit, in der die Kinder am allermeisten unseren Rückhalt brauchen, einzuknicken und die Kinder einfach laufen zu lassen. Wohl wissend, das sie sich gerade auf keinen Fall etwas Gutes tun werden und in jedem Fall auch noch das Gesetz brechen. Das wird sich mir nie erschließen und das werde ich auch weiterhin nicht umkommentiert lassen. Kein ach ja, es wird schon nicht so schlimm sein, wird mich jemals davon abbringen, meinen Kindern etwas anderes mit auf den Weg zu geben, wohl wissend, das es für sie dennoch eine andere Wahrheit da draußen vor unserer Tür gibt. In all den Elternhäusern, die zuvor ja darauf bedacht waren, es nicht zu versemmeln und sich zugleich zu jeder Zeit ein Urteil über die Familien erlauben zu können, die ihrer Meinung nach nicht diesen einen wirklich wahren Weg eingeschlagen sind. 

Um nicht von den anderen Themen abzukommen: 

Natürlich ist es auch gut und richtig, sich in der Elternarbeit einzubringen. An der Waldorfschule verpflichtet man sich sogar dazu. Man muss sich an gewissen Kreisen beteiligen und sich einbringen. Immer übernimmt man gewissen Aufgaben. Auch am Kindergarten ist es so. Aber nicht immer und in jeder Lebenslage kann ich alles auch erfüllen. Das muss ich auch nicht. Aber meinen Teil kann ich dennoch immer auch dazu beitragen. Die Brezel, die ich aufbacke. Der Posten, den der Ehemann übernimmt, weil es gerade gut und wichtig. Die Stunde im Garten der Waldorfschule, die ich eben erübrigen kann. Das mag nicht das sein, was der ein oder andere einbringt. Nein sicherlich immer wieder deutlich weniger, aber dafür sind die Stunden, die man zuhause mit der Kinderfürsorge und all dem drumherum verbringt, sicher nicht weniger unzählig und schon gar nicht weniger wert. 

Ich könnte wohl noch ewig dazu weiter schreiben, aber ich höre hier einmal auf und stelle die gebackenen Cookies auf den Tisch. Koche einen Kaffee oder vielleicht auch einen Tee und stelle Wasser für die Kinder dazu. Dann starten wir in diesen Sonntagnachmittag und haben hoffentlich nicht mehr zu viel auf dem Zettel. Da wäre noch ein Auto zu tanken und ein paar Seiten muss ich noch lesen und bearbeiten. Die Schultaschen müssen noch gepackt werden und die Woche muss ich mir auch nochmal anschauen. Eine Woche, in der die Mädchen Ferien haben und die Jungs noch weiter zur Schule gehen. 

Die Großfamilienmama 

Kommentare

  1. Ich kann deine Gedanken so gut nachvollziehen, wie gut, dass man damit nicht alleine ist - sowohl das mit den Eltern, die sich als Übermütter begreifen und alles beurteilen - als auch die Geschichte mit dem Alkohol, wobei das bei uns in der Stadt sicherlich noch "harmloser" abläuft - mit 13 war hier nie die Rede, hier hat sich der Sohn selbstständig ab 15 nach und nach an den Alkohol gewöhnt - aus Neugierde - und auch wir stehen dem kritisch gegenüber, lassen ihm aber bis zu einer Grenze einen Freiraum. Erzieherisch können wir als Vorbilder noch dienen, aber nicht, wenn wir uns selber jedes Wochenende die Kante geben würden....Alles Liebe euch...

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen