Momlife

 Der erste Mittwoch nach den Ferien und es ist schon wirklich hart in den Alltag zu finden, wenn man sich in den Ferien nicht so richtig erholt hat. Dabei war ja eigentlich gar nichts. Die Kinder waren weitestgehend gesund, es war kein wirklicher Stress. Aber mein Körper fand die Lücke cool, um einfach nochmal zu sagen: mir ist es echt zu viel. Und so geht es weiter in dem Ringen um Balance in einem übervollen Alltag ohne nennenswerte Hilfen. Letzteres ist ja ein echtes Thema in der Mutterschaft geworden. Es wird mit dem Finger auf einen gezeigt, was man alles nicht schafft. Aber da ist niemand, der die Hand reicht und hilft. Das hat man ja selbst zu verantworten. Gerade habe ich von einer jungen Mutter ihr Leid zum Alltag mit ihren kleinen Kindern, der Arbeit, dem Haushalt gehört. Es ist zu viel und sie findet keinen Weg heraus, geschweige denn eine Hilfe. Ihr ist nach weglaufen. Und ich weiß es gut, das man da einfach alleine steht. Das kenne ich ja auch. Ist man in einem solchen Tal, dann kämpft man sich mit eisernem Willen wieder heraus. Bestenfalls hat man Freundinnen, denen man erzählen kann. Bestenfalls. Das ist nicht immer so. Dann ist da die Familie, die endlich den Dauerplatz auf dem Campingplatz bekam, bis der Campingplatz Mensch mitbekam, das es eine Familie mit vielen Kindern ist. Die sind nicht erwünscht. Die anderen Dauercamper wünschen nur zwei Kinder. Da gibt es die Regeln. Den angebotenen Platz am Meer gibt es nicht mehr. Den bekommt jemand anderes. Ihr könnt da an den Rand, aber da bitte leise sein. Mittags darf man nichts von euch hören und nachts natürlich auch nicht. Und auch sonst ist man Ruhe gewohnt. Ist das zu fassen? Nein, das ist es nicht. Das ist einfach nicht zu fassen. Dieser Platz sollte der Erholung dienen. Ein 6 er im Lotto, das man ihn bekam und dann das? Mama wollte mal alleine fahren und Papa vielleicht auch oder die Eltern zusammen alleine. Einen Rückzugsort haben. Zur Ruhe kommen im turbulenten Familienalltag. Nein, das geht nicht. Das kann die Gesellschaft nicht. Einer Gesellschaft , in der jeder auf sich selbst schaut, die immer für jeden weiß, was gut und was schlecht ist und wie das Leben so funktionieren hat. Der Rest wird nicht gesagt, der ist unter dem Teppich, den frisst man in sich hinein. So lebt es sich ganz passabel für die Außenwelt. Natürlich nur für die. 

Mich macht das wütend. Ich merke selber, wie sehr mich das letzte Jahr Kraft gekostet hat. Ich habe kein Burn out und auch keine Depression. Aber von gut gehen bin ich weit entfernt. Dennoch kämpfe ich mich alleine durch die Tage. Wenn ich etwas laut sage, dann weiß jeder, das ich doch meine Kinder nicht so weit fahren müsste. Das ich ja vor Ort die Schule nutzen könnte. Das ich ja die Pille hätte nehmen können. Da ist niemand, der sagt: ich sehe dich und ich gehe mit dir. Was kann ich dir Gutes tun? Das möchte ich anders machen für meine Mitmenschen. Für meine Kinder. Für mich. Für meinen Mann. Für mein Umfeld. Ich möchte sehen und sagen, das ich sehe. Das habe ich der jungen Mama gesagt. Du darfst kommen, auf einen Kaffee, zum Weinen, wie du magst. Der Mama mit dem Campingplatz: ich schreibe darüber, ich werde es auf Instagram teilen. Ich sehe und ich bin mit dir wütend. 

Aber ansonsten ist da der Alltag mit meinen Mäusen hier. Der mich fordert. Den langen dunklen Tag, die kurzen Nächte. 






Wir waren draußen an dem langen dunklen Tag. Auf Corona Wegen unterwegs. Sehend, das diese Zeit deutlich entschleunigt war und das zurück kommen gerade fordert. Kraft kostet. Die Luft tat so gut. Die Ems. Die Bewegung. Es war gut zu gehen, in die Dunkelheit hinein durch den Wald. Und dann, oben wieder angekommen, im Regen zu sein, aber die Runde geschafft zu haben. Zuhause das Abendprogramm. Wir Eltern sitzen noch eine Weile am Abenbrottisch und unterhalten uns. Mitten in diese Idylle platzt der Sohn. Die Lehrerin seiner Freundin wurde erstochen. Heute. An der Schule gar nicht so weit weg. An der auch der Mann einer Freundin unterrichtet. Erstochen von einem 17 jährigen, der sich später selbst stellte. Die armen Schüler, Lehrer, die arme Familie. Auch die des Mörders. Das geliebte Kind hat einen Menschen umgebracht. Welch unfassbare Tragweite. Diese Gedanken trage ich mit mir. In der Nacht, dem Morgen. Aber der Alltag nimmt dennoch seinen Lauf und das ist gut so. Da kann man sich dran festhalten. 

Der Morgen war ruhig. Die Kleinen mussten früh raus. Wir haben die Fahrt geschafft und danach einen ruhigen Morgen gehabt. Ohne einen Termin. So habe ich noch ein paar Termine per Telefon machen können. Festgestellt, das die Ärztin in Herdecke, die uns schon seit 13 Jahren begleitet, gehen wird. Nicht um die Ecke, nein in die Schweiz. Das trifft mich schon wirklich. Sie war mir eine Begleitung und Stütze in all den Jahren als Mama. Aber wir haben auch ein Bananenbrot gebacken und dann zwei weitere Brote. Zum Mittag gab es Grünkohl mit Kartoffeln und das Suppenfleisch kochte schon den ganzen Morgen gemütlich auf dem Herd. Das roch so gut. Das war heimelig. Die Kinder haben Mutter und Hund oder so ähnlich gespielt. Die Schlaflieder des Papas lauthals durchs Haus gesungen. Und der kleine König hat mit Tesa Film seine Baustelle - also das ganze Obergeschoss - abgesperrt. Im zick zack natürlich. Nicht, das es leicht wäre, zur Baustelle zu kommen. 

Nun sind die Schulkinder wieder da.  Da ist noch ein Therapie Termin am Nachmittag. Da möchte noch jemand in einen Sportverein. Und ich muss dringend noch ein behördliches Schreiben fertigen. Dann ist am Abend noch eine Besprechung mit anderen Eltern der Waldorfschule und dann wäre da noch die letzte Tanzstunde der Tochter, zu der wir fahren müssen. Ein Hoch auf zwei Autos. 

Die Großfamilienmama

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